Ernährungs-Lexikon

 

 

 

Hunger- und Sättigungstheorie

Es gibt zahlreiche Theorien, die die Regulation von Hunger und Sättigung zu erklären versuchen.

Die thermostatische Theorie

Die thermostatische Theorie besagt, dass die Nahrungsaufnahme sowohl durch die Umgebungstemperatur als auch durch die bei Stoffwechselvorgängen erzeugte Wärme gesteuert wird. Ein Absinken der Körpertemperatur soll demnach zur Nahrungsaufnahme führen.

Die glukostatische Theorie

Nach der glukostatischen Theorie hat der Kohlenhydratstoffwechsel oder die Glukosekonzentration im Blut einen Einfluss auf die Regulation der Nahrungsaufnahme. So führt ein Anstieg der Glukosekonzentration im Blut bei normalen Insulinspiegeln zur Hemmung der Aktivität im Hungerzentrum und zu einer verstärkten Aktivität im Sättigungszentrum des Hypothalamus. Andererseits ist ein abfallender Blutglukosespiegel der Auslöser des Hungergefühls.

Sowohl im Hypothalamus als auch in Leber und Stammhirn befinden sich Sensoren, die die Glukosekonzentration messen. Die Lokalisation in der Leber ist vor allem deshalb ideal, da die von der Darmwand aufgenommenen Glukosemoleküle, direkt über die Pfortader zur Leber transportiert werden. Von den dort ansässigen Sensoren werden entsprechende Signale dann über den Vagusnerv an das zentrale Nervensystem weitergeleitet.

Dabei tragen hohe Glukosekonzentrationen zur Sättigung, niedrige zum Entstehen von Hunger bei. Aus diesem Grund führen auch Injektionen von Insulin oder Cortison zu einer erhöhten Nahrungsaufnahme, da sie den Blutglukosegehalt erniedrigen.

Die aminostatische Theorie

Die aminostatische Theorie geht davon aus, dass der Proteingehalt und die Aminosäurezusammensetzung der Nahrung einen Einfluss auf die Nahrungsaufnahme und -auswahl haben können, da der Organismus auf die Zufuhr unentbehrlicher Aminosäuren angewiesen ist.

Die glykogenostatische Theorie

Die glykogenostatische Theorie besagt hingegen, dass die Leber das Hungergefühl regulieren kann, indem der energetische Status anhand der Glykogenkonzentration beurteilt wird.

Die lipostatische Theorie

Eine besonders interessante Hypothese stellt die lipostatische Theorie auf. Ihr zufolge wird die Nahrungsaufnahme und damit das Körpergewicht langfristig über die Körperfettmenge reguliert. Das Fettgewebe produziert demnach einen Faktor, der ins Blut abgegeben wird und dem Gehirn mitteilt, wie gut die Fettspeicher gefüllt sind. Dieser Faktor wurde nach dem griechischen Wort leptos = dünn oder schlank Leptin genannt und stellt die Verbindung zwischen peripherem Fettgewebe und der zentralnervösen Appetitregulation dar.

Die Menge des produzierten und in die Blutbahn abgegebenen Leptins ist abhängig von der Körperfettmasse. Je mehr Fettgewebe vorhanden ist, desto mehr Leptin wird gebildet und ins Blut freigesetzt. Dementsprechend werden bei übergewichtigen Personen häufig höhere Leptinspiegel gefunden als bei Normalgewichtigen.

Leptin trägt zur Regulation des Körpergewichts bei, indem es durch die Regulation wichtiger Sättigungsfaktoren im Gehirn zu einer Einschränkung der Energieaufnahme sowie zu einer Erhöhung der Körpertemperatur und damit des Energieverbrauchs führt. Eine Abnahme der Energiezufuhr bewirkt eine verringerte Leptinsynthese, während Insulin und Glucocorticoide die Spiegel erhöhen.

Wichtige Erkenntnisse über die Wirkung von Leptin wurden im Tierversuch erzielt. Mäuse, die aufgrund eines Defekts des Leptin-Gens kein Leptin herstellen können, leiden unter Fettleibigkeit. Wird diesen Tieren dann Leptin verabreicht, nehmen sie deutlich an Körperfett und damit an Gewicht ab, da Leptin zu einer verminderten Futteraufnahme und einer erhöhten körperlichen Aktivität bei den Mäusen führt.

Beim Menschen hat sich die Vermutung, dass eine gestörte Leptinproduktion die Ursache für die Entstehung von Fettleibigkeit ist, leider nicht bestätigt. Auch konnten mit der Gabe von Leptin keine Wirkungen auf das Körperfett erzielt werden. Es hat sich jedoch gezeigt, dass der Leptinspiegel bei adipösen Menschen häufig erhöht ist, das zentrale Nervensystem dieses Signal aber nicht korrekt verarbeiten kann. Man spricht dabei von einer Leptinresistenz, deren Ursache bisher allerdings noch nicht geklärt ist.

Mechanismen zur Kontrolle der Nahrungszufuhr

Mit Hilfe von afferenten Signalen (afferent = zum Hirn hin) erhält das zentrale Nervensystem Informationen über die Nahrungsaufnahme und die Nährstoffspeicher im Körper. Diese Signale werden vorwiegend im Hypothalamus mit Hilfe von Neurohormonen und Aminen verarbeitet. Mit Hilfe der efferenten Signale (efferent = vom Hirn weg) wird dann die Nahrungsaufnahme reguliert.

(1). Afferente Kontrolle der Nahrungszufuhr

Sensorische Signale

Sensorische Reize, wie Geruch, Geschmack, Aussehen und Textur einer Mahlzeit oder eines Lebensmittels, spielen eine bedeutende Rolle bei der Regulation der Nahrungsaufnahme. Anblick, Geruch oder Geschmack führen zur Steigerung bestimmter Prozesse im Körper, die auf die Nahrungsaufnahme vorbereiten, beispielsweise vermehrter Speichelfluss oder erhöhte Magensaftsekretion. Sensorische Signale können sowohl die Nahrungszufuhr fördern, als auch zu einer verminderten Essgeschwindigkeit und Nahrungsaufnahme führen. Die Akzeptanz eines bestimmten Geschmacks wird durch angeborene oder erworbene Vorlieben und Abneigungen reguliert. Die Präferenz für süße Lebensmittel ist beispielsweise angeboren.

Gastrointestinale Signale

Neben den sensorischen Signalen gibt es eine Reihe von gastrointestinalen Signalen, die zur Regulation der Nahrungsaufnahme beitragen. Ein wesentlicher Mechanismus für die Beendigung einer Mahlzeit ist die Dehnung von Rachen, Speiseröhre, Magen und Dünndarm.

Rezeptoren

Durch Rezeptoren im Magen-Darm-Trakt werden die afferenten Informationen über den Vagusnerv zum zentralen Nervensystem (ZNS) weitergeleitet. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Magendehnung, die mindesten 20 Prozent über dem Ausgangszustand liegen muss, um eine Aktivierung des Sättigungszentrums hervorzurufen. Insbesondere Ballaststoffe, aber auch Präparate, die im Magen quellen, können so zu einer frühzeitigen Sättigung beitragen.

Neben den Dehnungsrezeptoren finden sich im Magen-Darm-Trakt auch Chemorezeptoren, die durch bestimmte Nahrungsbestandteile angeregt werden und das ZNS über das Vorliegen von Nährstoffen informieren. Von Bedeutung für die Nahrungsaufnahme ist auch die Leber als erstes Organ, das die Nährstoffe nach ihrer Aufnahme passieren. So führt eine gesteigerte Verbrennung von energiereichen Substraten, wie beispielsweise Fettsäuren, in der Leber zu einer Beendigung der Nahrungsaufnahme und eine verminderte Substratoxidation zu einer Steigerung der Nahrungszufuhr.

Gastrointestinale Hormone

Auch zahlreiche gastrointestinale Hormone spielen bei der Regulation der Nahrungsaufnahme eine bedeutende Rolle, da durch sie eine kurzzeitige Sättigung vermittelt wird. Derzeit sind insgesamt zehn gastrointestinale Hormone bekannt, die sich hemmend auf die Nahrungszufuhr auswirken. Hierzu zählen beispielsweise Cholecystokinin, Glukagon, Insulin, aber auch Gastrin und Sekretin.

Cholecystokinin wirkt zum einen im Magen-Darm-Trakt und führt dort zu einer vermehrten Magendehnung und damit zu einer verlangsamten Magenentleerung, zum anderen wird es während einer Mahlzeit im Hypothalamus freigesetzt und dadurch die Nahrungszufuhr beschränkt. Glukagon fördert unter anderem die Neubildung von Glukose aus Fett- und Aminosäuren in der Leber und wirkt sättigend, da es die Magenperistaltik und sonstige Verdauungsvorgänge verlangsamt.

Ein kurzfristiger Anstieg der Insulinspiegel bewirkt bei Gesunden eine Stimulierung der Nahrungsaufnahme, während eine chronische Erhöhung des Insulinspiegels im Blut zu einer verminderten Nahrungszufuhr führt. Es wirkt auf die Synthese von Peptiden ein, die appetitregulierende Wirkungen besitzen.

Sexualhormone

Auch Sexualhormone können die Nahrungsaufnahme beeinflussen. So hemmen die weiblichen Geschlechtshormone, die sogenannten Östrogene, die Nahrungsaufnahme, während Progesteron eine gegenteilige Wirkung ausübt.

(2). Zentralnervöse Appetitregulation
Der Hypothalamus spielt bei der Regulation der Nahrungsaufnahme eine zentrale Rolle. Sowohl das Hunger- als auch das Sättigungszentrum des Hypothalamus werden durch eine Vielzahl von neurochemischen Substanzen, sogenannten Neurotransmittern, beeinflusst.

Serotonin

Von großer Bedeutung ist hierbei das Serotonin. Experimentell konnte gezeigt werde, dass eine erhöhte Synthese und Freisetzung von Serotonin eine deutlich appetitunterdrückende Wirkung besitzt. Zudem spielt es offensichtlich auch eine Rolle bei der Regulation der Nahrungszusammensetzung, da durch Lebensmittel, die den Serotoningehalt im Gehirn erhöhen, eine Bevorzugung von Proteinen gegenüber Kohlenhydraten hervorgerufen wird.
Bei erniedrigten Serotoninspiegeln werden dagegen vermehrt Kohlenhydrate favorisiert.

Serotonin wird im zentralen Nervensystem aus der Aminosäure L-Tryptophan gebildet.
Tryptophan gelangt über ein spezielles Carriersystem durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn, konkurriert dabei aber mit einigen neutralen Aminosäuren um diesen Carrier. Da bei einer proteinreichen Mahlzeit wesentlich mehr neutrale Aminosäuren aufgenommen werden als Tryptophan, gelangen diese vermehrt ins Gehirn und die Konzentration an Tryptophan und damit an Serotonin sinkt. Nach einer kohlenhydratreichen Mahlzeit liegt verhältnismäßig mehr Tryptophan vor als neutrale Aminosäuren, so dass auch mehr Tryptophan ins Gehirn gelangen und zur Serotoninsynthese herangezogen werden kann.

Katecholamine

Auch die Katecholamine, zu denen das Noradrenalin zählt, sind an der Regulation der Nahrungszufuhr beteiligt. Noradrenalin bewirkt als Gegenspieler des Serotonins die Stimulierung der Nahrungsaufnahme.
Es erhöht insbesondere den Umfang der Mahlzeiten und führt zudem zu einem bevorzugten Verzehr von kohlenhydratreichen Lebensmitteln. Dopamin erhöht die Nahrungszufuhr, insbesondere in Stresssituationen.

Das Corticotropin-Releasing-Hormon bewirkt dagegen eine Verminderung der Nahrungsaufnahme und führt unter experimentellen Bedingungen zu einer deutlichen Gewichtsreduktion. Durch eine Aktivierung des autonomen Nervensystems kommt es zu einer Erhöhung des Blutdrucks, zu einer vermehrten Katecholaminfreisetzung und zu einer Hemmung der Magensaftsekretion.

Endogene Opioide

Endogene Opioide scheinen insbesondere für die Regulation von Nährstoffen mit einem hohen Fettgehalt verantwortlich zu sein. Sie wirken, indem sie die Wahrnehmung für den Geschmack von Nährstoffen verändern und so zu einer vorzeitigen Beendigung der Mahlzeit führen.

Neuropeptid Y

Das Neuropeptid Y ist ein Neurohormon, das dahingehend wirkt, dass es die Nahrungsaufnahme, insbesondere die Zufuhr kohlenhydratreicher Mahlzeiten, deutlich stimuliert. Unter experimentellen Bedingungen führte die Gabe von Neuropeptid Y zu einer ausgeprägten Gewichtszunahme. Die Bildung diese Neuropeptids und damit die Nahrungsaufnahme wird wesentlich durch Leptin und Insulin gehemmt. Während Neuropeptid Y insbesondere die Zufuhr kohlenhydratreicher Nahrung stimuliert, führt Galanin zu einer vermehrten Aufnahme fettreicher Lebensmittel.

Überblick über Substanzen, die die Nahrungsaufnahme anregen oder vermindern können:

Gesteigerte Nahrungsaufnahme

  • Noradrenalin
  • Neuropeptid Y
  • Gamma-Amino-Buttersäure
  • Progesteron
  • Galanin
  • Wachstumshormon-Releasing-Faktor

Verminderte Nahrungsaufnahme

  • Serotonin
  • Corticotropin-Releasing-Hormon
  • Dopamin
  • endogene Opioide
  • Leptin
  • Glukagon
  • Östrogen
  • Calcitonin

(3). Efferente Kontrolle der Nahrungszufuhr
Die efferente Kontrolle der Nahrungsaufnahme kann auf verschiedenen Wegen erfolgen. Das Gehirn kann Informationen über sympathische oder parasympathische Bahnen sowie über Hormone der Adenophyse an periphere Organe weiterleiten. So hat beispielsweise eine geringe Aktivität des sympathischen Nervensystems häufig eine erhöhte Nahrungszufuhr, erhöhte Körperfettspeicher und damit ein insgesamt erhöhtes Körpergewicht zur Folge.

Von der Aktivität des Sympathikus ist unter anderem die nahrungsinduzierte Thermogenese abhängig. Die Vermutung, dass durch die nahrungsinduzierte Thermogenese die Körpertemperatur erhöht und dadurch die Nahrungsaufnahme beendet werden könnte, führte zur Entwicklung der thermostatischen Theorie. Eine gestörte Kontrolle des parasympathischen Nervensystems kann zu einer vermehrten Insulinausschüttung führen.

Über die efferente Kontrolle kann zudem auch die Freisetzung von Prolaktin und Wachstumshormon reguliert werden. Eine verminderte Sekretion dieser beiden Hormone ist charakteristisch bei bestehendem Übergewicht. Diese Form der Appetitregulation hat somit nicht nur einen Einfluss auf die Nahrungsaufnahme, sondern bewirkt auch deutliche Veränderungen im Zellstoffwechsel.

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